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Interview: Dietmar Bosbach

DENTAGEN Info 2017/04

Im Bergischen Land haben sie einen langen Atem. Die Basis, um laufend Erfolg zu haben. Seit 20 Jahren. Analog handeln und natürlich auch digital denken. Warum sich das ganz und gar nicht ausschließt, wie alles begann im beschaulichen Wipperfürth, warum der nie konfliktlose Alltag in einer klar strukturierten Geschäftsführung gut funktioniert? Über eine 30 Jahre währende Männerfreundschaft, über die Familie, über Mitarbeiter und Marathon, über DJK Wipperfeld und Bayern München – über all das und vieles mehr sprach Journalist Bernd Overwien für „DENTAGEN INFO“ mit Dietmar Bosbach (53). Der gelernte Kaufmann und sein Freund und Geschäftspartner Hermann-Josef Böhlefeld (67) gründeten und führen mit picodent® einen der renommier­testen Hersteller von Dentalgipsen, Einbettmassen und anderen wichtigen Materialien für die Zahntechnik.

Herr Bosbach, es scheint, die ganze Dentalbranche beschäftigt sich nur noch mit der Digitalisierung ihrer eigenen Arbeitswelt. Bleibt das traditionelle Gipsmodell die wichtigste Geschäftsgrundlage Ihres Unternehmens?

Es ist ja nicht so, als wären wir im Bergischen nicht auf der Höhe der Zeit. Von den Gipfeln hat man einen guten Über­blick (lacht). Natürlich, die fortschreitende Digitalisierung der zahntechnischen Pro­zesse liegt im Trend. Trotzdem bleibt das Modell nach wie vor eine wichtige Arbeits­grundlage für viele Restaurationen. Seit Frühjahr 2015 bietet picodent seinen Kunden die Möglichkeit, qualitativ hochwertige Dentalmodelle auch auf der Grundlage digitaler Daten zu fertigen.

Ging das ohne Partner?

Das war eine strategische Heraus­forderung. Deshalb sind wir 2015 eine Kooperation mit Dreve Dentamid eingegangen, die Präzisionsmodelle auf unserem Qualitätsniveau mit fortschrittlichen Anla­gen garantiert. Deutschlandweit bieten wir Kurse und Workshops in modernen Schulungslaboren oder vor Ort in den Dentallaboren unserer Kunden an. Wir stehen von Beginn an für innovative, hochwertige Spitzenprodukte. Unsere Überzeugung: Mit zukunftsorientiertem Denken und Handeln schaffen wir unverzichtbare Freiräume, die der Zahntechniker für seine gute Arbeit braucht. Das klingt wie aus einem Marketing-Lehrbuch, ist aber so.

Zurück zu den Anfängen. Sie haben das Unternehmen 1997 gemeinsam mit Hermann-Josef Böhlefeld gegründet. Auch er, wie Sie, gelernter Kaufmann. Und Zack, da hatten Sie beide plötzlich so eine Geschäftsidee?

Nein, das wäre ja zu schön gewesen. Wir waren damals schon elf Jahre gemeinsam im Bereich der Modellherstellung unterwegs. Kennen uns heute also schon über 30 Jahre. Die Initialzündung, unser eigenes Ding zu machen, war der enorme Nachholbedarf bei Kursen und Schulungen rund um die Modellherstellung. Kurse wie z. B. „Das Modell“ – die Visitenkarte des Labors wurden schnell bekannt und gerne besucht. Modellsysteme wurden nach Kun­denwünschen weiterentwickelt. Wir haben die Nische gesucht und sie schnell gefunden.

Und das als Kaufleute, die von Zahn­technik eigentlich eher wenig verstanden?

Wir wussten schon sehr genau, mit welchem Beruf wir es da zu tun hatten. Aber in der Tat: Wir haben selbst sehr viele zahntechnische Fortbildungen absolviert. Das Fachwissen eines Zahntechnikers zu haben und Kaufmann zu sein ist doch nicht die schlechteste Kombination oder?

Oh, ganz und gar nicht. Gerade wenn es um die Einschätzung geht, wie digital zukünftig ein Labor sein muss und dennoch wirtschaftlich stabil bleibt. Auch wenn analoge Produkte Ihre Stärke sind, wie ist der „digitale Status Quo“ in den Laboren?

Ganz klar, Digital wird weiter zulegen. Durch unsere gut zwanzig Außen­dienstmitarbeiter und zahllose Laborschu­lungen wissen wir aber auch: Die Digita­lisierung ist in vielen, gerade kleineren, Laboren noch nicht so richtig angekommen. Weil auch die Digitalisierung in den meisten Zahnarztpraxen längst nicht so weit ist, wie die Industrie es gerne hätte. Auch die letzte IDS im vergangenen Frühjahr, auf der wir als Aussteller präsent waren, war kein Spiegel­bild des aktuellen Arbeitsalltags.

IDS – werden Sie in einem solchen Rahmen belächelt, wenn Sie analoge Produkte ins Schaufenster stellen?

Nein, im Gegenteil. Wir haben die Digitalisierung natürlich ständig im Fokus, haben aber in den letzten Jahren unsere Produktfelder mit gebündelter Innova­tionskraft immer weiterentwickelt. Mit fachlicher Unterstützung von Zahntechnikern, die täglich mit den Materialien umgehen. Die Optimierung von Einbettmasse ist uns so gelungen. Ein weiteres Beispiel: Es gibt sehr viele Gipse auf dem Markt. Wir wollten aber einen neuen Zahnkranzgips entwickeln, der für den Zahntechniker „spürbar anders ist“. Das ist uns auch gelungen. Die Vermarktung übertrifft unsere Erwartungen. Eine Weiter­entwicklung auch von analogen Produkten ist aus unserer Sicht im Zusammenspiel Analog und Digital enorm wichtig.

Das kann sich ändern, oder?

Das wird sich ändern. 10 Jahre wird ein funktionsfähiger Drucker nicht mehr brauchen. Aber heute ist die Wirtschaftlich­keit für ein Dentallabor nicht erkennbar. Wenn das Analoge und das Digitale eines Tages ineinander übergehen, wird sich vieles ändern. Nur Digital geht in der Zahntechnik auf absehbare Zeit noch nicht. Und in der Zahnarztpraxis auch nicht, auch wenn die Großindustrie den Zahnmediziner als Kun­den schon längst direkt im Auge hat. Nach unseren Beobachtungen sind Zahnmediziner jenseits der 45 mit ihrer wirtschaftlichen Situation eigentlich ganz zufrieden. Denn es sind ja im Bereich der Prophylaxe neue, starke Betätigungsfelder für den Zahnarzt hinzugekommen. Die Investitionsbereit­schaft in digitale Felder ist eher defensiv.

Täuscht der Eindruck oder wird die Digitalisierung der Dentalwelt künstlich gehypt?

Digitales hat ja längst Einzug gehalten. Scanner und Fräsgerät sind weitgehend Standard. Aber die Modellherstellung läuft nach wie vor zu 98 % analog. Wir haben durch die genannte Kooperation mit Dreve Dentamid angeboten: Schicke uns die Daten, du kriegst das Modell. Es kommen wenig Daten aus den Laboren, da zur Zeit noch ebenfalls wenig digitale Daten aus den Zahn­arztpraxen kommen, was das Thema Modell­herstellung anbelangt. Die Industrie ist beim Thema Digitalisierung der Tagesaktualität in Praxis und Labor weit enteilt. Die Voraus­setzung überhaupt für eine erfolgreiche digitale dentale Welt und deren Entwicklung ist heute und wird auch in Zukunft die gute Zusammenarbeit zwischen Labor und Praxis sein.

Ist picodent ein „Familienpütt“, wie man im Ruhrgebiet sagen würde?

Ja, der Begriff passt. Zum 20-jährigen Firmengeburtstag haben wir mit unseren 50 Mitarbeitern einen Schiffsausflug gemacht. Sommerfest und Weihnachtsfeier. Ist ja klar. Das besondere Zusammengehörig­keitsgefühl zeigt sich aber in Gemeinschafts­aktionen, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch ohne die Geschäftsführung machen. Das macht picodent aus.

Ist die regionale Verwurzelung des Unternehmens am Standort Wipperfürth ein Grund dafür, dass Sie Ihren Mitarbeiterstamm über so viele Jahre halten konnten?

Ja. Auch das ist eine Komponente. Was unseren persönlichen Führungsstil anbetrifft – wir arbeiten in der Geschäfts­führung in unterschiedlich definierten Bereichen – so besteht in zwei Punkten von Beginn an Einigkeit: Zuhören und die Ideen der Mitarbeiter annehmen. Dann Fortbildung und noch mal Fortbildung. Wir haben inzwischen Mitarbeiter, die den Status kompetenter Referenten haben und von den Laboren auch entsprechend angenommen werden. Und wir sind als lokale Sponsoren aktiv. Bei der DJK Wipperfeld beispielsweise.

Wo Sie selbst im Felsenpark gekickt haben. Erfolgreich?

Na, das müssen andere beurteilen. Aber als Stürmer habe ich eigentlich ganz gut getroffen. Unsere beiden Söhne haben da ebenfalls gekickt und meinen langjährigen Geschäftspartner Hermann-Josef Böhlefeld habe ich auch bei der DJK vor über 30 Jahren kennen gelernt. Da ließen sich viele Geschichten erzählen.

Ist das Heimat?

Ja, das ist ein gutes Stück Heimat. Dabei ist mir die Familie das Wichtigste. Meine Frau, unsere zwei Söhne. Einer ist 26 und ist im Vertrieb und Marke­ting­bereich, der andere ist mit 23 Jahren ein leidenschaftlicher Tischler. Familie und Sport in der knappen Freizeit zusammen zu bringen, ist manchmal nicht einfach. Aber es funktioniert.

Dem Fußball sind Sie aber doch verbunden geblieben. Für welchen Club schlägt neben der DJK Wipperfeld das Fanherz?

Bayern München. Im richtigen Fußballalter waren eben Gerd Müller, Sepp Maier oder Franz Beckenbauer da und wurden unsere Idole. Der Verein ist absolut professionell geführt und auf Erfolg ausgerichtet. Das imponiert mir.

Ihre Söhne ticken doch sicher rheinisch. Sind für Köln oder Mönchen­gladbach, nicht wahr?

Falsch. Auch Bayern München. Das hat sich eben vererbt.

New York, London, Rom, Athen, Stockholm, Lissabon, Madrid, Berlin, Köln und jetzt Dublin. Schmerzen bei dieser Städtetour immer noch die Füße?

Nein (lacht). Beim Marathon hat man den Ehrgeiz, ins Ziel zu kommen. Ist das geschafft, schmerzen die Füße nicht mehr. Ein Marathon oder ein Halb-Marathon im Jahr sind fest eingeplant. Ich bereite mich in meiner Freizeit beim Lauftreff darauf vor. Besonders freut es mich, dass Mitarbeiter und auch Sportfreunde aus den Laboren die Laufschuhe anziehen und mitmachen.

Sind Sie als „dentale Marathonmänner“ ein Unikat?

Weiß ich nicht, aber könnte in dieser Form so sein. Auch diesmal war es ein besonderes Erlebnis, in Irland mit Läufern aus vielen anderen Nationen an den Start zu gehen. Natürlich war auch der Zieleinlauf im Phoenix Park von Dublin mit der Unter­stützung von vielen Rock ‚n‘ Roll-Bands einfach klasse. In der legendären Temple Bar in Dublin haben wir den laufenden Erfolg gefeiert. Mit von der Partie waren Jürgen Wolf von Zahntechnik Wolf in Mainz, Bernhard Stubenrath und Joachim Theis von Zahn­technik Stubenrath in Wetzlar, Peter Herrmann von Zahntechnik Herrmann in Ilmenau. Und nicht zu vergessen Rüdiger Bach von Goldquadrat.

Und demnächst Triathlon?

Um Himmels willen. Ich habe mich oft mit Karin Schulz unterhalten. Unglaub­lich wie die Powerfrau das macht. Unternehmerin, Vorstandsvorsitzende der DENTAGEN und Weltmeisterin ihrer Altersklasse im Triathlon. So viele Hüte habe ich gar nicht, die ich ziehen müsste. Grüßen Sie sie herzlich aus Wipperfürth.

Wird gemacht, Herr Bosbach und besten Dank für das Gespräch.

Quelle: DENTAGEN Info 2017/04